Natural Horsemanship
Es ist keine Methode, sondern eine Lebenseinstellung. Da mein ganzes Herz an meiner Entwicklung zur guten Horsewoman hängt, beginne ich gar nicht erst einen lange Roman zu schreiben ... ich würde nie ein Ende finden. Darum habe ich mich auf einige Stichworte begrenzt und schreibe meine Gedanken dazu (der Text wurde so schon lang genug ... )
Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum.
Tommaso Campanella
(1568 - 1639), bürgerlich: Giovanni Domenico, italienischer Philosoph, Dominikaner, Dichter und Politiker
Pferdeflüstern
Pferdeflüstern bedeutet für mich, dem Flüstern der Pferde zuzuhören... Sie kommunizieren ununterbrochen mit uns, sie sind Meister der Körpersprache. Das Meiste wird von uns nicht wahrgenommen (oder absichtlich ignoriert) . Sie zeigen uns so viele ihrer tollen Eigenschaften wie; Sanftmut, Ehrlichkeit, Geduld, Stolz, Anmut u.v.m. Sie sind Künstler was die Eleganz in der Bewegung angeht und überraschen mich immer wieder, wie solche überaus kraftvollen Tiere doch auch eine sehr zärtliche Seite haben.
Kommunikation
Die Gabe nicht nur Befehle zu erteilen, sondern auch zuzuhören und auf Vorschläge des Pferdes einzugehen, ist sehr wertvoll und stärkt die Beziehung zwischen Pferd und Mensch ungemein. Eine intakte Partnerschaft basiert auf Geben und Nehmen. Wer sein Pferd beobachtet und richtig einschätzen kann, ist anderen weit voraus! An guten Tagen ist es wichtig, als Mensch nicht wie ein Raubtier zu handeln und immer noch mehr zu wollen. An schlechten Tag hingegen, muss man Prioritäten setzen können und sich mit einem Teilziel zufrieden geben.
Wissen, Neugierde, Wissensdurst
Wissen ist unser wertvollstes Gut, niemand kann es uns nehmen. Jeder sollte bestrebt sein, sein Wissen ständig zu erweitern, man weiss NIE genug. Durch unser Wissen sind wir in der Lage etwas zu tun und zu wissen warum und wie wir es tun. Je mehr man weiss, um so selbstsicherer ist das Auftreten und um so eher kann man dem Pferd der gute Leader sein, den es so dringend braucht!
Geduld, Zeit
Geduld ist eine Tugend, über welche jeder Mensch verfügen sollte ... Sobald man jedoch mit Pferden (allg. Tieren) zu tun hat, ist es unumgänglich, sich in Geduld zu üben. Nur mit genügend Einfühlungsvermögen und ZEIT kommt man bei diesen sensiblen Wesen langfristig zum Erfolg.
"If you take the time it takes, it takes less time"
Pat ParelliVertrauen
Ich erlebe es leider immer wieder das Pferdebesitzer die Zuneigung und das Vertrauen ihrer Pferde „erkaufen“ wollen, die Einen durch Leckerlis, die Anderen durch ständiges Loben ( teilweise sogar fürs Ein- und Ausatmen ;) Achtung: Ironie …) oder permanentes „gut zu reden“. Vertrauen muss man sich jedoch (hart) erarbeiten, d.h. vor allem an sich selbst arbeiten und sich seiner Handlungen bewusst werden und gegebenenfalls seine Einstellung ändern. Eine wahrhafte Beziehung kann nur bei gegenseitigen Vertrauen und Respekt entstehen.
Sicherheit
Wer wünscht sich kein sicheres Pferd? Doch wie wird ein Pferd sicher? Ich behaupte, indem sein Mensch bewusst mit seinem vierbeinigen Partner umgeht und dafür sorgt, dass genügend Routine vorhanden ist. Was meine ich nun mit "bewusste Umgehen": Versetzte dich in dein Pferd, erfühle seine Bedürfnisse nach artgerechter Haltung, Fütterung und sozialen Kontakten. Schaffe Vertrauen in den Ort (Reitplatz, etc.) wo du mit deinem Pferd arbeiten möchtest und lasse deinen Partner "ankommen", warte bis das Pferd "bei dir" ist und schaffe, wenn nötig, Zutrauen zur Ausrüstung und anderen Gegenständen. Pferde sind immer auf ihre eigene Sicherheit bedachte, ungewohnte Orte, Abläufe oder Forderungen verunsichern sie. Mit täglichen Wiederholung kannst du Routine in gewisse Situationen bringen und schaffst es so über gewohntes dem Pferd die gewünschte Sicherheit zu bieten. Du darfst nie vergessen, etwas (z.B. Ausreiten oder Verladen) das man nicht tut, kann auch nicht besser werden. Nimm dir also genügend Zeit um "gefährlichen" Situationen mit deinem Pferd zu bewältigen, Schritt für Schritt, falls nötig musst du dir professionelle Hilfe holen.
Absicht, Fokus
Eine klare Absicht schafft Glaubwürdigkeit und nur wer einen Plan hat (und diesen auch verfolgt), kann die dringend benötigten Strukturen für das Pferd bilden.
Meine Absicht auf diesem Foto ist mehr als deutlich. Durch meinen klaren Fokus und eine gute Vorbereitung, bietet mir Viki ein tolles Seitwärts (fast im 90°-Winkel) an.
Druck, Phasen, Konsequenz
Druck ist
immer eine Frage der Definition. Hier ist wichtig, dass man deutlich
miteinander (Schüler und Trainer) bespricht, was dieses Wort für den
jeweiligen genau bedeutet. Die Druck-Gegner üben meist mehr Druck aus, als sie
sich bewusst sind, vor allem in den falschen Momenten. Die Spannweite der
Methoden, welche meist ohne Fachwissen angewendet werden, geht von
antiautoritärer Erziehung über Klicker-Training bis hin zum Bestärken
(negativ/positiv) u.v.m. Nichts von dem hat mit dem artgerechten Alltag in
einer Pferdeherde zutun ... mit diesem "unnatürlichen" Verhalten
verwirrend wir die Pferde, selbstverständlich sind sie so intelligent und
erkennen die Schemas hinter diesen Methoden und machen gut mit, aber
glaubwürdig wirken die Zweibeiner damit nicht und in ernsten Situationen ist
das ganze "antrainierte" Verhalten plötzlich verschwunden und man hat
ein "grosses" Problem.
Es ist unumgänglich steigenden Druck aufzubauen, wenn man vom Pferd etwas möchte, dabei ist es wichtig, fair und konsequent zu sein. Solange dieser "Druck" korrekt ausgeführt wird, wird es vom Pferd nicht als negativ wahrgenommen... für sie ist es das normalste auf der Welt dem Druck (Energie vor Körperkontakt) eines ranghöheren Herdenmitglieds zu weichen ... warum sollten wir uns dieses bewährte Gesetz der Natur nicht zunutze machen?!? Halten wir uns wirklich für so viel besser?
Viele machen den Fehler emotional und/oder voreingenommen zu sein, d.h. sie starten das Training mit ihrem Pferd schon mit der inneren Haltung "es kann diese Übung sowieso nicht" oder "gestern ging es doch auch ganz einfach" oder "warum tut es mir dies an, kann es sich nicht einfach mal benehmen?!?"
Bei Natural Horsemanship handelt es sich (für dich) um eine "neue Sprache", welche du mit deinem Pferd sprichst, um diese zu erlernen brauchst du Zeit.
Zudem sollte man sich von Beginn an bewusst sein, WAS vom Pferd genau verlangt wird und ob man selbst das jeweilige Niveau bereits hat, um dies auch dem vierbeinigen Partner verständlich erklären zu können. Ist dies der Fall, hat das Pferd selbst die Verantwortung mitzudenken und kann entscheiden, auf welche Phase es reagieren möchte. Indem ich dem Pferd genau erkläre was ich von ihm möchte (und mein Timing präzise ist) komme ich meinem obersten Ziel von Feinheit und Leichtigkeit mit jedem Tag etwas näher. Ist die Beziehung zwischen Pferd und Mensch so stark, dass die Hilfen nicht mehr sichtbar sind, liegt ein Hauch von
Magie in der Luft. Solche Momente erleben zu dürfen sind für mich wie ein Lottogewinn ;)
Timing
Ein gutes Timing ist im Pferdetraining unerlässlich, wer sein Zeitmanagement im Griff hat, ist deutlich im Vorteil. Die Pferde (alle Tiere) sind Meister im richtig Timing, wir Menschen sind jedoch viel zu oft komplett daneben ... sei es weil wir abgelenkt sind, inkonsequent oder eine falsche Einstellung haben. Mit einem guten Timing und etwas Geschick, kann man sich gewiesen Situationen zunutze machen und/oder "gefährlichen" Konstellationen aus dem Weg gehen.
Komfort
Ein guter Horseman verfügt über das Talent im richtigen Moment den Druck wegzunehmen und somit dem Pferd das grösstmögliche Lob zu geben - Komfort! Kein Leckerli dieser Welt hat diese effektive und langanhaltende Wirkung.
Pausen
Die Wichtigkeit von Pausen wird leider viel zu oft unterschätzt. Die Pferde benötigen diese ruhigen Momente, wo sie ihre Hufe still halten dürfen, um nachzudenken und das gelernte abzuspeichern. Damit loben und anerkennen wir auch den Einsatz des Pferdes.
Freude, Motivation
Mit Motivation, Engagement und Freude bei der Sache zu sein ist eigentlich ganz einfach! Eine grosse Wirkung erziele ich gerade bei frustrierten Pferd-Mensch-Zusammenstellungen, mit dem Rat in kleineren Schritte voranzugehen und seine Einstellung zu ändern ... vor allem rege ich an, nochmals zu überdenken, was man WIRKLICH will? Und was einem von anderen eingeredet wird/wurde? Manchmal steht einem auch zuviel Ehrgeiz oder Druck von aussen im Weg ...
Ziele
Man sollte mit einer gesunden Beharrlichkeit sein Ziel im Auge behalten und das Pferd nicht anlügen. Damit meine ich, nicht bei der Phase 2 (von 4) stecken zubleiben (oder aufzugeben). Überschätzt man sich selbst und/oder das Pferd, sollte die Intuition nicht verloren gehen und einen Ausbildungsschritt zurück gegangen werden. Durch solche Eingeständnisse kommt man über Umwege trotzdem zum Ziel.
Hier gelten die Leitsätze: fördern aber nicht überfordern und der Weg ist das Ziel!
Respekt
Respekt basiert immer auf Gegenseitigkeit und kann nicht aus Angst entstehen. Es gibt Situationen, wo wir uns mit dem Pferd auf keine Diskussion einlassen können. Z.B. im Strassenverkehr, hier hat es unsere Anweisungen ohne ABER zu respektieren, dies erarbeiten wir in sicherer Umgebung (Reitplatz etc.).
Im Gegenzug sollten wir Zweibeiner uns jeden Tag von neuem ins Gedächtnis rufen, dass unsere Pferde nicht zum Reiten auf die Welt gekommen sind. Dies soll nun nicht heissen, dass man sein Pferd nicht reiten darf/soll... sondern schlicht und einfach an die Ehre erinnern, welche uns zuteil kommt, wann immer wir auf dem Rücken dieser edlen Wesen sein dürfen. Sie haben ganz viele Bedürfnisse, welche wir zu erfüllen haben. z.B. viel Bewegung mit Artgenossen und einen freundlichen Zweibeiner mit Leadership-Qualitäten. Darum gibt es einige kritische Fragen, die wir uns stellen müssen: Was braucht mein Pferd wirklich? Führt es ein artgerechtes Leben? Weiss ich selbst genug über die richtige Fütterung? Pferdepsyche? Hufbearbeitung? Sattelanpassung? etc. um dem Pferd, welches in meinem "Besitz" ist, wirklich gerecht zu werden...
Dressur, Kunst, Vollendung
Natural Horsemanship und Dressur sind kein Widerspruch, das EINE ist für das ANDERE da. Im NHS darf die Gesundheit vom Athleten "Pferd" nicht vergessen gehen und in der Dressurausbildung darf die Natürlichkeit und Würde nie verloren gehen.
"Leichtigkeit und Energie verbinden sich zur Harmonie. Solange Leichtigkeit und Energie das Pferd zu gleichen Teilen bestimmen, befindet es sich in einem vollkommenen Gleichgewicht."
Erich Metterlein
Harmonie
Auch wenn mal schlechtere Tage kommen (und die hat JEDER), ist es wichtig die Harmonie nicht zu vergessen ... so hat man wieder einen Antrieb um Steine aus dem Weg zu räumen. Ebenso sollte nach einer intensiven Zeit (z.B. einem Kurs) wieder eine Ruhephase in eurem Team einkehren...wo du einfach nur Momente mit deinem Pferd verbringst ohne etwas ihm zu "wollen", möglicherweise gehst du mit ihm spazieren oder setzt dich zu ihm auf die Weide bzw. in die Box. Solche Gesten werden leider zu oft unterschätzt!
Akzeptanz
Der Mensch muss dem Pferd Grenzen setzten können, welche es zu akzeptieren hat ... Genau so kann aber auch das Pferd Grenzen haben (körperlich oder mental), bei welchen wir als Partner verständnisvoll reagieren müssen.
Potenzial
Es ist
ungemein spannend und motivierend das Potenzial seines Pferdes zu erkennen und
ausbauen zu können. Aber auch seine eigene emotionale und körperliche Fitness
zu verbessern macht Spass und bringt dich auch ausserhalb der
"Rösseler-Welt" weiter...
"Pferde geben uns noch mehr: sie sind nicht nur die besseren Menschen, sie bieten uns die Chance an, durch sie bessere Menschen zu werden. Der Umgang mit Pferden ist die beste Charakterschule der Welt."
Peter Deicke